Interview im Kanzleiforum: Digitalisierung erfolgreich umsetzen
Im „Kanzleiforum“ des C.H.Beck-Verlags hat Rechtsanwältin Katharina Nitsch ein Interview mit mir zu meinem neuen Buch veröffentlicht:
Guten Tag Frau Cosack! Wir freuen uns, dass Sie uns für ein Interview für unseren Blog Kanzleiforum zur Verfügung stehen. Kommen wir gleich zu unserer ersten Frage: Was bedeutet der digitale Wandel für eine Anwaltskanzlei?
Frau Cosack: Der digitale Wandel ist noch bedeutsamer wie die Einführung des Telefax oder der EDV, denn er betrifft nicht nur die Arbeitsabläufe in der Kanzlei, sondern bedeutet darüber hinaus auch eine Veränderung der Arbeit an sich. Einige Rechtsgebiete werden durch die Digitalisierungvereinfacht, andere Rechtsgebiete entstehen durch die Digitalisierung völlig neu. Durch die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachsmüssen Anwaltskanzleien sich quasi zwangsweise mit der Digitalisierung befassen, denn es ist nicht zielführend und auch nicht zulässig, elektronische Dokumente auszudrucken und in einer Papierakte abzuheften. Elektronische Dokumente sind digital aufzubewahren. Man kann analog und digital nicht 1 : 1 umsetzen, sondern muss sich Gedanken machen, wie digitale Abläufe sinnvoll gestaltet werden. Im Verhältnis zu den Mandanten bietet sich die Chance, neue Servicebereiche zu erschließen, denn auch die meisten Mandanten werden mit der Digitalisierung konfrontiert und sind dankbar für Unterstützung, die ihre Arbeit erleichtert.
Ist Digitalisierung gleichbedeutend mit „Legal Tech“?
Nein, zunächst ist es notwendig, den Begriff Legal Tech zu definieren. Von der Website legal-tech.de wurde ich um meine Definition des Begriffs gebeten und habe es so formuliert:
„Legal Tech ist ein Sammelbegriff, unter dessen Dach sich viele Anbieter tummeln. M.E. sollte immer kritisch der Nutzen hinterfragt werden. Nicht das Tool, sondern das Ergebnis zählt. Und der Mensch (Mandant) steht im Mittelpunkt. Neue Technologien als Chance sehen, die Qualität zu verbessern und für Anwalt und Mandant das Leben leichter zu gestalten.“
Digitalisierung ist also mehr als Legal Tech, denn die digitale Transformation umfasst alle Lebensbereiche. Meine Gesprächspartner, die ich für das Buch interviewt habe, haben bei der Frage, ob und ggf. welche Legal Tech Tools sie in ihrer Kanzlei einsetzen, diese Frage durchaus kritisch beantwortet, weil Legal Tech teilweise als Wundermittel angepriesen wird, ohne dass hinterfragt wird, ob sich Aufwand und Ergebnis rechnen. Es gibt schon seit vielen Jahren Möglichkeiten, z.B. Texte und Abläufe zu standardisieren, jetzt bekommt jedes Tool den Anstrich „Legal Tech“ und jeder Dienstleister im Anwaltsbereich bietet mittlerweile in diesem Bereich Lösungen an.
Welche Vorteile hat die fortschreitende Digitalisierung für Kanzleien?
Wenn man unabhängig von Zeit und Ort flexibel arbeiten kann, ist das ein großer Gewinn. Und größere Kanzleien nutzen die Digitalisierung, um neue Geschäftsbereiche zu erschließen und ihren Mandanten Services zu bieten, die ohne Digitalisierung nicht möglich wäre.
Gibt es Best Practice Beispiele?
Ja, ich habe für das Buch viele Interviews mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten geführt und diese gefragt, wie sie sich auf den Weg der Digitalisierung begeben haben und wie weit sie mit der Umsetzung sind. Einige sind schon recht weit gekommen, andere haben noch ein gehöriges Stück vor sich liegen. Und es hat sich gezeigt, dass es nicht „den einen Weg“, sondern viele Wege gibt, die Digitalisierung in der Anwaltskanzlei erfolgreich umzusetzen.
Die Präsidentin des DAV, Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, hat es so formuliert: „Es gibt nicht den perfekten Weg, sondern den zur jeweiligen Kanzlei passenden Weg. Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten, die anwaltliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig ist, sich zu informieren, an den Erfahrungen anderer teilzuhaben und dann den für die eigene berufliche Tätigkeit optimalen Weg anzugehen und umzusetzen.“
Rechtsanwalt Professor Niko Härting, der konsequent die Digitalisierung in seiner Kanzlei innerhalb eines Jahres umgesetzt hat, empfiehlt: „Der Weg zur digitalen Kanzlei erfordert Mut zur Investition in Technik. Und noch mehr Mut zur radikalen Umstellung aller Arbeitsabläufe. Letzteres ist Chefsache und sollte nicht delegiert werden.“
Und Rechtsanwalt Professor Stephan Ory betont die Notwendigkeit, die digitalen Herausforderungen anzunehmen, um im Anwaltsberuf wettbewerbsfähig zu bleiben: „Allerdings halte ich die Digitalisierung einer Kanzlei für die Basis der Überlebensstrategie.“
Haben Sie konkrete Tipps zur Umsetzung?
Ja, Sie finden im Buch Handlungsempfehlungen und eine Checkliste, um die Digitalisierung der Kanzlei Schritt für Schritt umzusetzen. Sinnvoll ist es, einen realistischen Zeitplan aufzustellen und diesen umzusetzen.
Betrachten Sie die Digitalisierung wie einen wichtigen Mandanten, der Ihnen ein interessantes und lukratives Mandat überträgt. Sie können das Mandat nicht ablehnen:
- Die Digitalisierung geht nicht mehr weg!
- Sie müssen sich selbst damit befassen: Digitalisierung ist Chefsache!
- Beziehen Sie Kollegen und Mitarbeiter ein: Sie sitzen „alle im selben Boot“.
Ist Ihr Buch ein Ratgeber für Kanzleien aller Größen?
Ja, wie der Titel schon verrät, soll es ein „Leitfaden für jede Anwaltskanzlei“ sein. Daher habe ich Kanzleien aller Größenordnungen, von der Einzelanwältin, dem Einzelanwalt und kleine Sozietäten, mittelständische Kanzleien und Boutiquen sowie internationale, größere und Großkanzleien befragt und darüber hinaus auch noch Kanzleien im europäischen Ausland interviewt, um den Blick „über den Tellerrand“ hinaus zu wagen. So können die Leser von einer Vielfalt an unterschiedlichen Erfahrungen profitieren.
Inwiefern nutzt Ihr Ratgeber denn auch kleinen und mittleren Kanzleien, die sich keine ausgefeilten Techniken leisten können, sei es aus Zeit- oder aus Geldmangel?
Gerade kleine und mittlere Kanzleien sollten strategisch an die Digitalisierung herangehen. Wenn das Rechtsgebiet, das der Kanzlei viel Umsatz bringt, durch Alternative Service Anbieter (Legal Tech Portale, z.B. geblitzt.de) „bedroht“ wird, muss man Lösungen suchen, um die eigene Dienstleistung zu optimieren. Zunächst einmal ist wichtig, dass nicht die Technik, sondern die Einstellung, das sogenannte Mindset, der Menschen entscheidend ist. In puncto Service kann mit einer optimalen Betreuung der Mandanten viel verbessert werden, ohne dass immense Investitionen erforderlich sind. Es nützt gar nichts, schnell Technik einzukaufen ohne die „Hausaufgaben“ zu machen. Das kostet Zeit und diese Zeit muss man sich nehmen. Wenn man mit der richtigen Strategie an die Digitalisierung herangeht, ist es nicht zwingend erforderlich, in ausgefeilte Technik zu investieren, denn man kann auch mit „Bordmitteln“ effizient arbeiten und standardisieren. Marco Klock, der CEO von atornix, hat im Interview berichtet, dass die ersten 5.000 Mandate mit einem Excel-Sheet bearbeitet wurden. Die meisten Kanzleien werden weniger Mandate bearbeiten, so dass man auch mit den in der Kanzlei bereits vorhandenen Mitteln eine Verbesserung erzielen kann.
Welchen Fehler sollten Kanzleien im Bereich Digitalisierung unbedingt vermeiden?
Meine Interviewpartner waren sich einig, dass man „früher, schneller und konsequenter“ hätte digitalisieren sollen, wenn man noch einmal die Chance hätte, diesen Weg neu zu beschreiten. Es bringt jedoch nichts, „von heute auf morgen“ ein Konzept aus dem Boden zu stampfen. Einscannen allein genügt nicht und in der digitalen Welt gelten andere Vorgaben als in den analogen, vertrauten, Bereichen. Wichtig ist, alle Personen in der Kanzlei mitzunehmen und gemeinsam die Chancen der Digitalisierung umzusetzen. Je mehr man digitalisiert, desto mehr ist man auf die Technik angewiesen. Daher ist ein verlässliches Datensicherungskonzept unverzichtbar. Erst dann kann man sich die Vorteile der Digitalisierung zunutze machen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Ich bedanke mich für Ihre Fragen und wünsche den Kanzleien gutes Gelingen bei der Umsetzung.
Gerne können wir den Dialog bei Twitter, LinkedIn und XING und auch auf der Website https://digitalisierung-anwaltskanzlei.de/ fortsetzen. Dort wird es zukünftig auch weitere Interviews mit Best Practice Beispielen geben. Wer selbst über seine Erfahrungen berichten will, darf sich jederzeit bei mir melden.
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